Deutsches Theatermuseum
Galeriestr. 4a
80539 München

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag
11 Uhr - 17 Uhr

Tickets & Preise

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4 € Ermäßigt

Nachlass Marianne Hoppe (1909-2002)

Mit Hilfe von Fördermitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Kulturstiftung der Länder und des Freistaats Bayern konnte das Deutsche Theatermuseum den künstlerischen Nachlass der Schauspielerin Marianne Hoppe (1909-2002) aus dem Privatbesitz ihres Sohnes Benedikt Hoppe erwerben. Aus diesem Anlass lud das Deutsche Theatermuseum am 11.4.2016 zu einer Presse-Informationsveranstaltung ein, bei der die Förderer des Ankaufs sowie das Deutsche Theatermuseum über diesen Nachlass und die Beweggründe zum Ankauf referierten. Auch eine für diesen Tag zusammengestellte Vitrinen-Ausstellung mit ausgewählten Objekten aus dem Nachlass war zu sehen.

Bereits zu ihren Lebzeiten galt die hochbegabte, 1909 in Rostock geborene Bühnen- und Leinwand-Schönheit als Legende. Sieben Jahrzehnte und durch drei Staatsformen hindurch faszinierte sie in vielen tragenden klassischen und modernen Theaterrollen sowie auch als Filmschauspielerin ihr Publikum. Zielstrebig verfolgte die junge Handelsschülerin und Gutsbesitzerstochter aus dem brandenburgischen Felsenhagen ihr eigentliches Ziel, Schauspielerin zu werden. Ende 1927 nahm sie bei Berthold Held, dem Leiter der Schauspielschule an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin, Privatunterricht, sowie auch bei den Schauspielerinnen Lucie Höflich und Ilka Grüning. Anfang des Jahres 1928 stand sie schon in kleinen Rollen gemeinsam mit den ersten Schauspielerinnen und Schauspielern des Reinhardt-Ensembles auf der Bühne. Auch die Presse wurde auf sie aufmerksam, besonders 1930 in dem Stück Die liebe Feindin von A.P. Antoine unter der Regie von Gustaf Gründgens, ihrem späteren Ehemann, Schauspielpartner, Regisseur und Intendanten der Preußischen Staatstheater in Berlin, an die er sie zur Spielzeit 1935/36 engagierte. Der beginnenden Filmkarriere von Marianne Hoppe, die nach ihrem Filmdebüt in Der Judas von Tirol (1933) ein Jahr später als Elke Volkerts in der Literaturverfilmung Der Schimmelreiter über Nacht berühmt wurde, folgte nun eine Ausnahmekarriere am ersten Theater des Reichs. Als Gretchen, Emilia Galotti, Jungfrau von Orleans, Antigone oder Leonore begeisterte sie ihr Publikum. Gleichzeitig lag ihr in Filmen wie Capriolen, Eine Frau ohne Bedeutung, in Gustaf Gründgens’ Effi-Briest-Adaption Der Schritt vom Wege, in Romanze in Moll und Auf Wiedersehen Fransziska! ein Millionenpublikum zu Füßen.

Aller Glanz hatte allerdings auch eine Kehrseite. Dadurch, dass Marianne Hoppe 1936 den Generalintendanten der unter der besonderen Obhut von Hermann Göring stehenden Preußischen Staatstheater geheiratet hat, war auch sie in den Fokus der erhöhten Aufmerksamkeit des nationalsozialistischen Terrorregimes gerückt. Zudem wurde ihre Ehe mit Gustaf Gründgens, der in Klaus Manns 1936 (!) in Amsterdam erschienenem „Schlüsselroman“ Mephisto als Günstling des Regimes diffamiert wurde, hinter vorgehaltener Hand als Schutzehe abgetan, nur deshalb geschlossen, um den als homosexuell bekannten Theatermann vor den Verfolgungen der Nationalsozialisten zu schützen. Der Verdacht der Scheinehe lag durchaus nahe, gingen am 5. Mai 1936 doch Angriffe wegen der Homosexualität von Gustaf Gründgens im Völkischen Beobachter voraus, weshalb dieser mit dem festen Entschluss zur Emigration am gleichen Tag in die Schweiz floh. Auf ausdrücklichen Wunsch Görings, der ihn am 6. Mai zum Preußischen Staatsrat ernannte, kehrte er jedoch zurück. Die Möglichkeit, dass es sich bei der Beziehung von Marianne Hoppe und Gustaf Gründgens – beide waren übrigens bisexuell – dennoch um eine erotische Liebesbeziehung handeln könnte, ist auf breiter öffentlicher Ebene bis in die jüngste Vergangenheit hinein ausgeschlossen worden. Vom Gegenteil sprechen aber die vielen im Nachlass von Marianne Hoppe vorhandenen Zettel und Briefe von Gustaf Gründgens an seine Frau in den ersten Jahren ihrer Ehe. Mit Gustaf Gründgens blieb Marianne Hoppe, die nach dem Krieg mit Therese Giehse und in den Siebzigerjahren mit Anni Mewes liiert war, auch nach der Ehescheidung im Mai 1946 bis zu dessen Tod im Oktober 1963 in enger Verbindung.

Nach 1945 begann die zweite, fünfzig Jahre andauernde Karriere der Marianne Hoppe, als Gründgens die physisch und psychisch Erschöpfte 1947 ans Theater zurückholte, und zwar an das Neue Theater in Düsseldorf, dem späteren Düsseldorfer Schauspielhaus, dessen neuer Intendant er war. Zusammen mit ihm als Schauspieler und Regisseur spielte sie im November 1947 in der deutschen Erstaufführung von Sartres Fliegen, im Januar 1949 in Goethes Tasso und 1950 in der deutschsprachigen Erstaufführung von T.S. Eliots Cocktail Party. Parallel zu ihren Düsseldorfer Gastrollen fand sie ab 1950 in Berlin an den Staatlichen Schauspielbühnen für sich ein neues Rollenfach: das der „Knacksdamen“, womit sie flapsig die psychisch zerbrochenen Frauen in den modernen amerikanischen Dramen von Tennessee Williams, Eugene O´Neill und William Faulkner meinte.

Ein großes Spektrum an Rollenaufgaben auf allen namhaften deutschsprachigen Bühnen boten ihr auch die zeitgenössischen Stücke von Jean Giraudoux, Carl Zuckmayer, Eugène Ionesco, Jean Genet oder Friedrich Dürrenmatt, sowie die späten Dramen von Thomas Bernhard. Zu ihm entwickelte sich ab 1974 eine enge persönliche Beziehung, als sie am Schiller-Theater in Berlin an der Seite von Bernhard Minetti und Rolf Boysen die Rolle der Generalin in Die Jagdgesellschaft spielte. In Robert Wilsons Inszenierung des König Lear spielte sie 1990 in Frankfurt/Main die Titelrolle. Zuletzt war die mit höchsten Auszeichnungen, Theater-, Film- und Fernsehpreisen geehrte Schauspielerin 1993 bis 1997 am Berliner Ensemble unter der Regie von Heiner Müller und Werner Schroeter zu sehen (u.a. als Schauspiellehrer in Brechts Arturo Ui, eine Rolle, die sie von Bernhard Minetti „geerbt“ hatte). Im Jahr 2000, zwei Jahre vor ihrem Tod, kam – unter ihrer Mitwirkung – Werner Schroeter filmische Hommage Die Königin heraus.

Die inhaltliche Geschlossenheit des Nachlasses von Marianne Hoppe, in dem sich ihr langes Künstlerleben in all seinen Etappen spiegelt, ist besonders selten und bietet der Theater- und Filmforschung eine reiche Quellengrundlage. Über tausend Briefe von Theater- und Film-Persönlichkeiten, Schriftstellern und Künstlern sind darin enthalten, etwa von Gustaf Gründgens, Hermine Körner, Käthe Dorsch, Therese Giehse, Werner Krauss, Käthe Gold, Elisabeth Bergner, Berthold Viertel, Helmut Käutner, Jürgen Fehling, Hans Lietzau – oder um einige Namen aus der Gegenwart zu nennen – Robert Wilson, Claus Peymann und Botho Strauß. Zu den Schreibern gehören auch Verleger-Persönlichkeiten wie Rudolf Augstein und Axel Springer, der Philosoph Theodor Adorno und Schriftsteller wie Carl Zuckmayer, Botho Strauß, Thomas Mann und Golo Mann.

Auch umfassende Konvolute von Tagebuchaufzeichnungen und persönlichen Notizen bereichern den Nachlass, ferner Marianne Hoppes durch fast fünf Lebensjahrzehnte geführte Jahreskalender, in denen sie neben Alltäglichkeiten auch wichtige Ereignisse festhält. Zu nennen sind auch ihre eigenhändig bearbeiteten Rollen- und Lesemanuskripte, ferner unzählige Engagement-Verträge und persönliche Unterlagen wie Heirats- und Scheidungsdokumente. Auch in den Familienbriefen an Marianne Hoppe, in deren Leben das Berufliche mit dem Privaten stets eng verquickt war, geht es oft um ihre Aufgaben beim Theater.

Einen besonders wertvollen Bestand im Nachlass bilden die über 1500 zum Teil sehr seltenen Film-, Theater- und Privatfotos. Klingende Fotografennamen sind hier zu nennen, etwa Rosemarie Clausen, Willi Saeger, Ruth Wilhelmi, Liselotte Strelow und Rudolf Betz bis hin zu Abisag Tüllmann, Isolde Ohlbaum und Stefan Moses. Dieser opulente bildliche Teil des Nachlasses, der sich bis zu den Aufnahmen erstreckt, die 1999 während der Dreharbeiten zu Werner Schroeters Film Die Königin entstanden sind, dokumentiert eindrucksvoll das außergewöhnliche schauspielerische Lebenswerk von Marianne Hoppe.

In Kürze wird über den Bibliotheks-Verbundkatalog eine Übersicht über den Inhalt des Nachlasses öffentlich abrufbar sein. Die Nutzung des Nachlasses ist für Forschende und Interessierte in eingeschränktem Maß und unter Beachtung etwaiger Persönlichkeitsrechte damit schon vor seiner Katalogisierung möglich.

Alles Schwindel von Marcellus Schiffer und Mischa Spoliansky

Marianne Hoppe als Evelyne Hill

Regie: Renato Mordo

Premiere: 31.12.1931, Neues Theater, Frankfurt/Main

(Foto: Ludwig Hirsch)

Faust I. von Johann Wolfgang von Goethe

Marianne Hoppe als Gretchen (Umbesetzung für Käthe Gold)

Regie: Lothar Müthel.

Wiederaufnahme: 30.12.1935, Preußische Staatstheater, Berlin

(Foto: Ruth Wilhelmi)

Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe

Bootsfahrt auf dem Zeesener See. Um 1937

(Foto: Scherl, Berlin)

Frau Warrens Gewerbe von George Bernard Shaw

Marianne Hoppe als Vivie

Regie: Jürgen Fehling

Deutsche Erstaufführung: 6.3.1938, Preußische Staatstheater, Berlin/Schauspielhaus

(Foto: René Fosshag)

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua von Friedrich von Schiller

Marianne Hoppe als Leonore

Regie: Karl Heinz Stroux

Premiere: 4.4.1941, Preußische Staatstheater, Berlin/Schauspielhaus

(Fotograf unbekannt)

Die Fliegen von Jean Paul Sartre

Marianne Hoppe als Elektra

Regie. Gustaf Gründgens

Deutsche Erstaufführung: 7.11.1947, Städtische Bühnen Düsseldorf/Neues Theater

(Foto: Rosemarie Clausen)

Endstation Sehnsucht von Tennessee Williams

Marianne Hoppe als Blanche du Bois und Franz Nicklisch als Mitch

Regie: Bertold Viertel

Deutsche Erstaufführung: 10.5.1950, Staatliche Bühnen Berlin/Schloßpark-Theater

(Foto: M. Marszalek)